Wir rocken Freiburg (7): Jazzchor Chornfeld

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber den Jazzchor Chornfeld hatte ich bisher noch gar nicht auf dem Schirm beim Gedanken an die besten Pop- und Jazzchören Deutschlands. Umso schöner finde ich, dass ich durch die Vorbereitung auf den Deutschen Chorwettbewerb (DCW) auf das Leipziger Ensemble aufmerksam geworden bin. Vor kurzem bin ich auf ihr Video zu „One day I’ll fly away“ gestoßen und war sofort begeistert! In meinem Interview aus der Reihe „Wir rocken Freiburg“ über die Teilnehmer des diesjährigen DCW in der Kategorie G1 (populäre Chormusik a cappella) erzählen euch Chorleiterin Virginie Ongyerth und Sänger Martin Berelson mehr über die 37 Sängerinnen und Sänger.

  • Herzlichen Glückwunsch – ihr gehört schon jetzt zu den besten Chören Deutschlands! Verratet uns euer Erfolgsgeheimnis: Was macht euren Chor besonders?

Martin: Danke, das fühlt sich toll an. Auch wenn es platt klingen mag, sind es ja immer die einzelnen Stimmen und die dahinter stehenden Charaktere, die den Chor als Gruppe und auch dessen Klang ausmachen. Wir sind ein moderner Chor, der organisch gewachsen ist. Einige singen schon seit fast 20 Jahren zusammen und sind entsprechend verwurzelt. Andere kamen für das Studium oder die Arbeit nach Leipzig und suchten neue musikalische Anbindung. Wir sind im Gegensatz zu anderen Chören nicht an eine Institution gebunden und haben auch ganz unterschiedliche musikalische Hintergründe. Was uns verbindet ist die Liebe zu Leipzig und die Freude am gemeinsamen Trällern – auch gern spontan auf der Straße nach einem Konzert auf dem Weg zur nächsten Bar.

Virginie: Es ist aber nicht nur die Gemeinschaft, die sich auch auf den einheitlichen Sound auswirkt, sondern auch die sehr hohe Motivation für das Singen – auch noch dann, wenn Detailarbeit und Zusatzproben angesagt sind. Das ermöglicht eine stetige Entwicklung, die unseren Ansprüchen gerecht wird.

  • Was muss jemand mitbringen, der bei euch mitsingen möchte? Wie wählt ihr neue Mitglieder aus?

Virginie: Wir sind in der komfortablen Lage, auswählen zu können. Es gibt eine Aufnahmeprüfung, bei einigen zusätzlich eine Probezeit. Natürlich müssen die interessierten Personen ins Team passen. Mittlerweile führen wir sogar eine Warteliste.

Martin: Für uns Chorsänger ist es natürlich wichtig, dass die Person eine hohe Motivation mitbringt, sich in unsere Chorgemeinschaft einzubringen. Wir machen auch außerhalb der Proben gern etwas zusammen, fahren im Sommer an den See, lassen die Saison im Rahmen einer Weihnachtsfeier oder einer Grill-Party im Park ausklingen oder gehen nach dem Konzert gemeinsam Party machen. Der Chor funktioniert aber nur, wenn es auch Leute gibt, die sich neben der normalen Probenvorbereitung auch um die Organisation von Konzerten oder Probenwochenenden, die Finanzen und die Homepage kümmern. Es ist also persönliches Engagement gefragt und die Bereitschaft, sich organisatorisch einzubringen.

  • Wie wählt ihr eure Stücke aus? Gibt es Lieblingskomponisten/-arrangeure? Wo findet ihr Inspirationen?

Virginie: Ich habe meine Lieblingsarrangeure, die immer mal wechseln. Wir geben auch Stücke in Auftrag, haben aber auch im Chor talentierte Leute, die schon selbst etwas für uns arrangiert haben. Ansonsten ist es wie bei der Zusammensetzung des Chores auch hier die Mischung, die das Programm interessant macht. Was bei Chor und Publikum bisher gut ankam, waren neben den selbst arrangierten Stücken zum Beispiel nordische Arrangeure und Komponisten, Gospels und deutsche Volkslieder in neuem, jazzigen Gewand.

  • Nehmt ihr an Workshops/Coachings teil? Gibt es Dozenten, die ihr besonders empfehlen könnt?

Virginie: Die Fortbildung im Rahmen von Workshops oder Coachings ist ein wichtiges Instrument, wenn es um die Weiterentwicklung des Chores geht. Wir halten uns damit up to date. Im letzten Jahr nahm ich Impulse von Anne Kohler und Sascha Cohn mit. Aber auch die Inputs und Hinweise für den Chor von Felix Powroslo, Juan Garcia, Tanja Pannier und Christoph Hiller waren wichtige Inspirationsquellen. Außerdem schauen und hören wir uns natürlich auch an, was andere Chöre machen.

  • Warum sollten Chöre eurer Meinung nach an Wettbewerben teilnehmen?

Virginie: An solchen Erfahrungen kann ein Chor nur wachsen. Diese Einladung zu einem überregionalen Vergleich steigert natürlich die Motivation und vor allem auch die Qualität der Stücke. Man hat ein Ziel vor Augen, das Ehrgeiz und fokussiertes Arbeiten verlangt. Außerdem stärkt das die Gemeinschaft. Dabei stehen für uns nicht das Gewinnen im Vordergrund, sondern die neue Erfahrung und der Blick über den Tellerrand.

Martin: Die Teilnahme am Deutschen Chorwettbewerb ist für uns eine einzigartige Gelegenheit, unseren Horizont zu erweitern. Außerdem freuen wir uns schon auf die gemeinsame Auswärtsfahrt als Chor, das Klassenfahrtfeeling und das Feiern unserer Teilnahme nach einem aufregenden Wettbewerbstag. Der Wettbewerb ist natürlich eine gute Chance, uns bundesweit zu präsentieren. In Leipzig findet 2020 das deutsche Chorfest statt. Wir wollen jetzt schon zeigen, dass in der Messestadt nicht nur klassische Chöre in höchster Qualität ansässig sind, sondern dass auch die A-Cappella-, Pop- und Jazzchorszene hier Beachtung verdient.

Virginie: Der Song ist ein schöner Klassiker. Das Arrangement ist allerdings mit C-Dur als Tonart eher ungewöhnlich und nicht ganz einfach für den Chor. Außerdem hätten wir uns mehr Spannung im Stück selbst gewünscht, mehr Abwechslung.

Martin: Langsam gefällt mir der Song, ein wenig klassischer Vocal Line Sound für den Chorgebrauch eben. Ich fände es übrigens toll, wenn es zwei Pflichtstücke gäbe: Eines für den deutschen Chorwettbewerb und davor eines für die Landeswettbewerbe. Dann könnten alle DCW-Qualifikanten ein neues Stück einüben, das dann vielleicht erst am Jahresanfang bekannt gegeben wird. Das würde die Vorbereitungszeit aufregender machen.

  • Der Deutsche Chorwettbewerb ist ja immer auch ein Ort der Begegnung, auf welche anderen Chöre und Ensembles freut ihr euch besonders? Warum?

Virginie: Ich persönlich bin sehr begeistert von Pop-up aus Detmold. Der Chor strahlt neben einem sympathischen Gemeinschaftsgefühl auch eine enorme Professionalität aus. Sie haben einfach eine starke Bühnenpräsenz – ohne dass es too much ist.

Martin: Einige Mitsingende freuen sich auf ein Wiedersehen mit ihren alten Chören, die auch am Wettbewerb teilnehmen, so zum Beispiel der Jazzchor der Uni Bonn und Vocalive aus Hessen.

  • Habt ihr Tipps für Chöre, die es auch mal zum Deutschen Chorwettbewerb schaffen möchten?

Virginie: Ausgangspunkt ist, sich auf die eigene Intuition und Musikalität zu verlassen. Trends und Chi-chi wie tolle Beatboxer und Bodypercussion können schöne Ergänzungen sein, wir finden aber: nichts ersetzt die Stimme. Außerdem sollte einem bewusst sein, dass mittlerweile niemand mehr gewinnt, der nicht auswendig singt ist. Die Bühnenpräsenz ist ein Punkt, der nicht vernachlässigt werden sollte. Die große Show wird meiner Meinung nach häufig überbewertet: Nur wenige Chöre beherrschen komplexe Aufstellungswechsel im Song oder coole Tanzeinlagen. Auch da gilt: Eher mal nen externen Coach drüber gucken lassen, bevor die Show finalisiert wird. Wenn das jedoch läuft: Hut ab und wow!

  • Zum Trost für alle Chöre, die (noch) nicht so toll klingen wie ihr: Gibt es auch Sachen, die bei euch nicht perfekt laufen?

Martin: Klar, wir klingen auch mal nicht so toll. Nach dem sächsischen Chorwettbewerb im beschaulichen Bad Elster haben wir im Hotel gefeiert und leicht angedüselt gegrölt gesungen: Die Videos sind mittlerweile unter Verschluss im Chorniegiftschrank und werden nur in dem unwahrscheinlichen Fall rausgegeben, dass wir den DCW gewinnen. Unsere Schwäche ist momentan noch der Proberaum. Zwar sind wir dankbar, in einem Hörsaal der HTWK in Leipzig proben zu dürfen, aber sobald wir dort ein wenig lauter werden, platzen die ersten Trommelfelle. Daran arbeiten wir aber und sind zuversichtlich, bald einen großen Raum zu finden, der sich unserer 80 Stimmlippen würdig erweist.

Weitere Informationen über den Jazzchor chornfeld findet ihr im Netz auf ihrer Website, bei Facebook und YouTube.

Hier sind die bisherigen Teile meiner Interviewreihe  „Wir rocken Freiburg“

Morgen geht’s mit dem nächsten Chor weiter…  :-)

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