Der Weg zum neuen Gruppenmitglied: Deutschland sucht den A-cappella-Superstar

Heute mal ein Thema, das viele Vokalensembles im Laufe ihrer Gruppengeschichte beschäftigt: Ein Mitglied entscheidet sich zu gehen und Ersatz muss her. Bei meiner Gruppe ist der Fall Ende des vergangenen Jahres eingetreten und wir haben ein Casting durchgeführt, um einen neuen Sopran zu finden. Dabei haben wir einige Dinge gelernt, die man im Nachhinein vielleicht hätte besser machen können. Deshalb hier mal ein kleiner Erfahrungsbericht und ein paar Tipps, worauf es zu achten gilt:

  1. Gruppenbeschreibung

Bei der Stellenausschreibung sind insbesondere zwei Dinge wichtig: eure Gruppenbeschreibung und das Anforderungsprofil. Aus der Gruppenbeschreibung sollte neben der musikalischen Ausrichtung, Zusammensetzung etc v.a. hervorgehen, mit welchem Anspruch ihr euer Ensemble betreibt. Singt ihr nur aus Spaß zusammen oder wollt ihr euch gemeinsam weiterentwickeln und ein eigenes Profil entwickeln? Ist das Ziel kleine Auftritte auf Hochzeiten und Geburtstagen oder wollt ihr Konzerte, Wettbewerbe und Festivals machen? Hier müssen die Vorstellungen der Gruppenmitglieder zusammen passen, sonst könnte es bei der späteren Zusammenarbeit zu Problemen kommen.

  1. Anforderungsprofil

Auch beim Anforderungsprofil solltet ihr so klar wie möglich kommunizieren. In unserem Fall war der Wochentag, an dem wir üblicherweise proben, das erste K.O.-Kriterium, weil es keine Möglichkeit gab, den Termin zu verschieben. Daneben waren uns v.a. die folgenden Dinge wichtig:

  • Der Tonumfang: Wir haben keinen Höchstton angegeben, um niemand direkt abzuschrecken, aber es war uns wichtig, dass die Leute sich mit dem Begriff „hoher Sopran“ identifizieren können. Da wir selbst Laien sind und nur ein Teil Gesangsunterricht nimmt, war eine Gesangsausbildung für uns kein ausschlaggebendes Kriterium.
  • Die Fähigkeit Stücke selbstständig vorzubereiten: Ob die Kandidaten Noten lesen können, hat für uns keine große Rolle gespielt, da wir in der Regel mit Midis arbeiten. Das kann aber natürlich ein wichtiges Kriterium sein.
  • Chor-/Ensembleerfahrung, weil die Chancen dann gut stehe, dass die Person eine Stimme sicher (allein) halten kann, während die anderen etwas anderes singen und weil Chorsänger in der Regel ein Gefühl dafür haben, wie wichtig es ist sich in den Klang einzufügen. Wenn man großartige Solisten hat, die über diese Fähigkeit nicht verfügen, wird es nie gut klingen!
  • Die Bereitschaft auch organisatorische Aufgaben zu übernehmen: Das ist ein Punkt, der häufig unterschätzt wird. Die Organisation eines Konzerts wird in der kleinen Besetzung allerdings nur klappen, wenn alle mitanpacken.
  1. Die Welt informieren

Wir hatten am Ende unserer Bewerbungsfrist sage und schreibe 16 Bewerberinnen, womit wir überhaupt nicht gerechnet hatten, was aber damit zu tun hatten, was wir mit unserer Stellenausschreibung gemacht haben. Hier eine Liste der Maßnahmen, die wir empfehlen können:

  • Facebook Postings: Nicht nur auf der Ensemble-Seite, sondern auch in Gruppen zum Thema A-cappella- und Chorgesang und Gruppen mit lokalem Bezug (z.B. Freizeit/Musik in Karlsruhe)
  • Posting auf www.acappella-online.de
  • Aushang an der örtlichen Musikhochschule
  • Emails an Chöre im Umkreis von ca. 50 km mit der Bitte um Unterstützung bei der Suche. Das war zwar sehr aufwändig, weil man die Chöre über Google/den lokalen Chorverband erst recherchieren musste, war aber am effektivsten. Viele unserer Bewerberinnen haben die Mail mit unserer Ausschreibung von irgendjemand weitergeleitet bekommen.
  1. Tonaufnahmen

Man kann sich vielleicht vorstellen, dass uns die Anzahl der Bewerbinnen ein bisschen überfordert hat, weil wir eigentlich nur einen Casting-Termin vorgesehen hatten. Das hatte zur Folge, dass wir eine Vorauswahl treffen mussten. Das Blöde dabei war, dass eigentlich alle Bewerberinnen die von uns definierten Kriterien erfüllt haben, wir brauchten also eine Tonaufnahme. Weil natürlich die Anforderung derselbigen Arbeit nach sich zog (zusätzliche Mails an alle Kandidatinnen, etc.), würde ich empfehlen, das einfach direkt mit in die Stellenausschreibung aufzunehmen.

  1. Logistisches vor dem Casting

Unsere komplette Gruppenorganisation läuft über die Online-Plattform Citrix Podio*. Wir schreiben uns generell keine Mails und klären fast alles darüber ab. Das war in diesem Fall ein riesiger Vorteil. Das Chaos wäre vermutlich sehr groß gewesen, wenn jedes Mitglied per Mail zu jeder der 16 Kandidatinnen seinen Senf abgegeben hätte. In Podio haben wir einfach eine Bewerber-App angelegt, in der jeder abstimmen konnte, ob er die Bewerberin a.) im ersten Casting sehen möchte, b.) falls wir dort nicht fündig werden, zum zweiten Casting oder c.) gar nicht einladen möchte.

Es lief so, dass sich die Kandidatinnen per Email an uns beworben haben und wir die Infos dann manuell in Podio abgelegt haben. Eigentlich hätte man es noch cleverer machen können: Über Podio kann man auch ein Webformular anlegen, über das die Daten dann automatisch richtig abgelegt werden. Das klingt jetzt alles wahnsinnig kompliziert, ist es aber überhaupt nicht. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Falls euch das Thema interessiert, schreibt mir einfach!

*Citrix ist „im echten Leben“ mein Arbeitgeber, deshalb lag die Wahl von Podio sehr nahe. Aber die dänische Vokalband Postyr nutzt das Tool z.B. auch. :-)

  1. Casting-Vorbereitung

Durch dieses Vorgehen konnten wir uns für fünf Kandidatinnen entscheiden, die wir zum ersten Casting eingeladen haben. Zur Vorbereitung haben wir ihnen drei kurze Auszüge aus Stücken unseres Repertoires geschickt (teilweise mit Midi), die dazu dienen sollten, verschiedene Aspekte beurteilen zu können. Dadurch, dass alle Bewerberinnen die gleichen Stücke und dieselbe Zeit zur Vorbereitung hatten, war die Vergleichbarkeit sichergestellt. Wir haben es den Bewerberinnen freigestellt zusätzlich ein Solo-Stück vorzubereiten.

Uns selbst haben wir auch auf das Casting vorbereitet, indem wir ein paar Kriterien definiert haben, auf die wir achten wollten:

  • Solo-Stimme (Tonumfang, Stimmfarbe etc)
  • Zusammenklang/Blending in der Gruppe (Dynamik, Intonation etc)
  • Sympathie
  • Verfügbarkeit (Probentermin, Reisen zu Festivals etc. Probenwochenenden, langfristige Pläne in Richtung Umzug etc)
  • Wie stellen sie sich die Zusammenarbeit vor?
  • Andere Themen: organisatorisches Engagement, Finanzen etc
  1. Das Casting

Dann war der große Tag da. Wir haben für jede Bewerberin 45 Minuten eingeplant, was im Nachhinein etwas wenig war. Hier würde ich eher eine Stunde empfehlen. Fünf an einem Abend war ziemlich viel für uns, aber zeitlich leider nicht anders möglich.

Wir haben mit jeder Kandidatin zuerst ein bisschen gequatscht, um ihr noch ein bisschen mehr über uns zu erzählen, offene Fragen zu klären und ihnen auch ein bisschen die Nervosität zu nehmen. Dann haben wir gemeinsam gesungen. Nur eine Bewerberin hat noch ein Solo-Stück vorgetragen. Nach den 45 Minuten hatten wir zwischen 5-10 Minuten, um uns ein paar Notizen zu machen, wofür man auch etwas mehr Zeit einplanen sollte. Wir haben uns teilweise (in Absprache mit den Kandidatinnen) spontan dazu entschieden, die Stücke aufzunehmen, was sehr gut war, weil man sich tatsächlich an viele Dinge am Ende des Abends nicht mehr so gut erinnern konnte oder sie in der Situation anders wahrgenommen hat.

  1. Die Entscheidung

Viel Zeit zum Reden hatten wir an dem Abend nicht, sodass jeder erst einmal für sich selbst überlegen konnte, wer wohl am besten in die Gruppe passt. Drei Tage später haben wir dann über unsere Eindrücke gesprochen und uns entschieden und sind bisher mit unserer Wahl sehr zufrieden 😉

 

Vielleicht hilft euch ja der ein oder andere unserer Erfahrungswerte bei der Suche eures neuen Mitglieds. Falls ihr auch noch Tipps habt, die man bei einer Stellenausschreibung/einem Casting berücksichtigen sollte, hinterlasst doch einen Kommentar!

2 Gedanken zu “Der Weg zum neuen Gruppenmitglied: Deutschland sucht den A-cappella-Superstar

  1. hallo,
    ich finde den bericht interessant. da wir in unserer gruppe auch ein medium suchen, womit wir uns organisieren und verständigen können, ohne jedesmal tausend mails hin und her zu schicken, habe ich das von ihnen angegebene „Podio“ ausprobiert. jedoch in der im google playstore verfügbaren app hat es nur fehler erzeugt und abbrüche. meine frage, arbeiten sie da mit der app oder über den browser und wenn sie mit der app arbeiten, sind ihnen diese fehler dort bekannt? danke ihnen.
    vg fm

    1. Hallo,
      Danke für Ihren Kommentar! Wir nutzen Podio hauptsächlich im Browser, aber die Apps natürlich auch, um von unterwegs aus auf die Inhalte zugreifen zu können. Ich hatte bis vor ca. einem Jahr ein Android Gerät und damit eigentlich nie größere Probleme mit der App. Mittlerweile nutze ich nur noch die iPhone App. Vielleicht können Sie mir per Mail noch einmal genauer erklären, was für Probleme aufgetreten sind? Dann könnte ich das an meine Kollegen weiterleiten. Testen Sie es vielleicht auch nochmal im Browser und melden Sie sich gern einfach nochmal, wenn irgendetwas unklar ist.

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